Die Entscheidung war nicht einfach, nachdem ich wusste, dass ich für die Frauen-WM in Australien qualifiziert bin. Einerseits natürlich spannend, was einen erwartet, Australien bietet ja in unserem Winter ziemlich gute Segelflugbedingungen. Aber auf der anderen Seite ist die Organisation wesentlich aufwändiger als gewohnt und dann ist das Ganze auch noch erheblich teurer.

Eine Bekannte, die nach Australien ausgewandert ist, hat mir eine LS8t vermittelt, die ich chartern konnte. Eine langjährige Freundin und Fördererin des Frauen-Segelflugs – Ingrid Blecher – hat früher selber an internationalen Frauenwettbewerben teilgenommen und hat mich gerne als Rückholerin begleitet.

Ingrid Blecher

Unsere Reise haben wir mit ein paar Tagen in Melbourne begonnen, wo wir vom Flugzeug-Eigentümer Rolf und seiner Frau Nela eingeladen wurden. Die beiden Deutschen sind vor Jahrzehnten ausgewandert und wohnen ca. 1 Autostunde außerhalb von Melbourne. Das Grundstück ist riesig, an den See kommen abends in der Dämmerung Kängurus.

Grundstück „auf dem Land“
Das Haus hat autarke Wasser- und Stromversorgung
Nela, pflanzte Tausende Eukalyptusbäume, das hilft gegen die Ausbreitung der Buschfeuer

Ein Ausflug nach Melbourne zeigte uns den Kontrast: Das moderne Australien mit seinen Wolkenkratzern. Das Stadtbild nimmt wenig Rücksicht auf ältere Gebäude

Skyline von Melbourne

Nach den paar Tagen Eingewöhnung, Abbau des Jetlags, immerhin 10 h Zeitdifferenz sind zu verkraften, ging es über Sydney weiter nach Tamworth. Die LS8 hatte der Bruder von Nela per Auto schon nach Lake Keepit gezogen, so dass wir die 1100 km bequem fliegen konnten.

In der Trainingswoche hatte ich jede Menge zu tun. Zuerst musste ich noch 12 kg zusätzliches Blei besorgen und einbauen, bevor es losgehen konnte. Natürlich wollte ich erst mal die Gegend von oben erkunden. Ich hörte, es gibt zwei Höhenzüge, die nach Norden führen und ziemlich gute Thermik produzieren.

Flugplatz Lake Keepit, rechts davon die Staumauer. Der untere Bereich wäre eigentlich der See

Beim ersten Flug trat jedoch ein unangenehmes Brummen ab 160 km/h auf. Ob der verschiedenen Versuche, die Ursache zu finden, habe ich leider bei der Landung das Fahrwerk vergessen. Dort geht das nicht mit ein paar grünen Streifen am Rumpf ab, sondern man braucht 3 Lagen Glasgewebe und neuem Lack … und einen Tag Zwangspause.

Michael, der Bruder von Nela war mit beim LTB

Die braune, ausgedörrte Landschaft außerhalb der Berge war für uns alle ein bisschen bedrückend. Das Land wirkte so verdurstet und an der Grenze zur Wüste. Vor 4 Jahren war noch alles grün und der Stausee voll, aber seither hat es im Flachland fast nicht mehr geregnet. In der Trainings- und der ersten Wettbewerbswoche kam eine extreme Hitze dazu. Thermikauslösetemperatur bei 39°, da geht’s erst richtig bei 41° oder mehr. Man baut früh auf und kommt dann so spät wie möglich zum Flieger. Auch die Rückholer flüchten so schnell wie möglich zurück ins klimatisierte Cabin. Mit viel Wasser + Elektrolyt, feuchten Halstüchern und Kühlkissen haben wir dagegengehalten. Zum Glück geht im Flug die Temperatur schnell auf erträgliche Werte zurück, dort hängt man selten in mieser Blauthermik ewig in 500m Grund.

Der kümmerliche Rest des Lake Keepit

Oben sieht man den Flugplatz und daneben die Staumauer. Noch etwas rechts liegt der State Park, wo viele Teilnehmerinnen ein klimatisiertes Cabin gemietet hatten. In der Bildmitte liegt der Sports Park mit Swimming Pool, wo die meisten offiziellen Feste stattfanden. Ganz unten ist ein UL-Platz zu sehen, der die letzte Landemöglichkeit im Endanflug darstellt.

Die toten Bäume sind normal unter Wasser

Nach 70 km in Richtung Norden kommt dort der Mount Kaputar, oder Monte Kaputto, wie unser Coach Wolli ihn nennt. Hier beginnt die Thermik als erstes, ist die Basis immer etwas höher und die Thermik besser, aber auch als erstes überentwickelt. Dort gibt’s auch Regen.

Überentwicklung bei Mount Kaputar

Unsere Unterkunft war ein klimatisiertes 2-Zimmer-Haus (Cabin) im State Park.

Unser Cabin im State Park

Wir haben uns dort selber versorgt und abends selber gekocht. Die Herausforderung daran war das Einkaufen. Der nächste Laden ist in Gunnedah oder Manilla, beide Städtchen sind so 35-40 km weg. Wenn man was Größeres braucht (z.B. einen Baumarkt), muss man nach Tamworth fahren, gut 50 km.

Hauptstraße in Gunnedah
Fußgänger sind selten in Manilla

Vor dem Clubheim am Flugplatz gibt’s ein paar Halme grünes Gras, das gerne von den Kängurus angenommen wird

Auch im State park gibt’s jede Menge Kängurus
Wenn’s Kind schon zu groß ist, gucken die Füße raus

Wenn man näher an den Lake Keepit geht, sieht man auch noch Wasser. Es tummelt sich so einiges dort

Schon in der Trainingswoche kam der erste Sandsturm. Ich war bei völlig friedlicher Luft gelandet und hatte kaum den Flieger ans Auto gehängt, als das Unheil losbrach. Ich musste stehenbleiben, weil man absolut nichts mehr sehen konnte. Zum Glück bin ich nicht eine Viertelstunde länger geflogen…

Sandsturm

Jetzt aber mal zum Wettbewerb! Wir wurden betreut von Wolli Beyer als Coach und Daniela Wilden als Team Chefin. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht, Dani hat sich bei ihrem Debut die Achtung der Team-Chef-Kollegen und von uns Pilotinnen verdient. Und Wolli hat frühmorgens das Wetter analysiert, uns während der Flüge ständig mit aktuellen Informationen versorgt und dann abends noch den Blog geschrieben.

Coach Wolli und Teamchefin Dani
Die australischen Flugzeuge sind „blütenweiß“

Am zweiten Tag ging unsere Aufgabe nach Süden, wo auch bergige Landschaft dominiert. Die Thermik war genial und die Basis auf 4000 m. Ich konnte 100 km Endanflug machen und schaffte mit einem Schnitt von 129 km/h den zweiten Tagesplatz.

2. Tagesplatz Conny, 1. Aude Untersee (F), 3. Aude Grangeray (F)

Am nächsten Tag war eine 4:15 h-AAT ausgeschrieben.

Staubige Angelegenheit beim Start
Thermikbeginn wird immer von Dust Devils angekündigt

Der Kurs führte zuerst in die eigentlich thermisch beste Gegend im NO des Platzes, aber unser erster Wendesektor war total angefüllt mit Rauch. Man konnte die anderen Flugzeuge bis 1 oder 2 km sehen und den Boden direkt nach unten. Nach vorne auf Kurs konnte man gar nichts erkennen. Naja, man navigiert ja mit GPS, aber man würde trotzdem gerne sehen, wo man hinfliegt, vor allem, wenn der Kurs über ziemlich unlandbares Gelände führt. Wir hatten eine Datei mit ein paar Außenlandemöglichkeiten, aber findet man das dann auch? Obwohl wir mehrfach Bescheid gesagt haben, wurde die Task weitergeflogen. Die Sicht sei ok, meinte der Tasksetter, der als objektiver Beobachter mit seinem Ventus im Wettbewerbsraum unterwegs war. Da ist er wohl eher im Süden bei den anderen beiden Klassen rumgeflogen.

Blindflug
Brände hinter Mount Kaputar

2 Stunden später, als wir in bester Thermik und bei guter Sicht im Norden kurz vor dem zweiten Wendesektor waren, wurde doch noch neutralisiert. Die Mitteilung erreichte uns über WhatsApp, für Funk war’s zu weit. Das haben wir dann auch nicht mehr so ganz verstanden.

Danach kamen zwei Tage, in denen wir ein bisschen langsamer als die Tagessieger waren, aber im Prinzip noch gut dabei. Eigentlich war ja der Plan, dass Ulrike und ich einen engen Teamflug machen, wie schon auf einigen Wettbewerben davor. Das klappte aber dieses Mal nicht, weil sie den optimalen Schwerpunkt ihrer LS8 in den ersten Tagen nicht gefunden hat und dadurch oft nicht richtig steigen konnte. Wenn man jeweils nach 2 Bärten 500 m höher ist, geht‘s halt alleine weiter.

Ulrike Teichmann

Dann kam der verhängnisvolle 6. Wertungstag. Wir flogen wieder ein AAT. Ich mag ja diese Aufgabenform, weil man eigene Entscheidungen treffen muss und kann, weil man weniger Abflugpoker machen muss und weil man nicht so leicht einem anderen hinterherfliegen kann. Aber in einer total fremden Gegend ist das schwerer als eine klassische Aufgabe. Man weiß einfach nicht so gut, welches Gebiet tendenziell besser ist und wo man kurz wenden sollte. Am Anfang lief es bärig, wir kamen unter Wolkenstraßen gut voran, den ersten Sektor nahmen wir nur kurz mit.

Mit Ulrike zusammen zum Mount Kaputar

Dann im zweiten Sektor wurde es schwieriger, ich schlug vor zu wenden. Wir flogen trotzdem noch ein Stück, ich war wieder mal höher und wir haben uns verloren. Die Flarmreichweite war trotz Powerflarm dort bei allen so gering, wie man es von Europa gar nicht gewohnt ist. Schon ab 1 km hat man die Teampartnerin nicht mehr gesehen. Im letzten großen Wendekreis wurde die Thermik wieder besser. Ich hab mich mit der besten Flugrichtung und mit der Berechnung der Ankunftszeit schwergetan. Wir 3 aus der Standardklasse haben uns wiedergefunden und gleich wieder verloren. Danach wurde die Thermik wegen Überentwicklungen schlecht. Wir waren jeder einzeln in Not und die Nervosität stieg. Ich habe einen Denkfehler beim Endanflug gemacht und flog zu tief aus dem letzten Bart weg. Leider musste ich dann kurz vor dem Zielkreis den Motor starten. Eine „Außenlandung“, wenn alle rumkommen, wirft einen komplett nach hinten und der Wettbewerb war praktisch nach der Hälfte gelaufen. Ich konnte mich nur ein bisschen mit Aude Untersee trösten, einer genialen französischen Pilotin, die am ersten WT mit einer Luftraumverletzung Null Punkte kassiert hatte.

Am siebten Tag in Folge war die Thermik blau und schlecht und der Thermikbeginn spät. Trotzdem hat unser Tasksetter 435 km für uns und sogar 538 für die 18m-Klasse ausgeschrieben. Wir sind erst um Dreiviertel 3 abgeflogen, obwohl man da schon wusste, dass die Aufgabe nicht zu schaffen ist. Der Coach hat uns gerügt, aber wer will schon bei niedriger Basis und schlechter Thermik allein im Blauen rumfliegen? Im großen Wald Pilagar, der fast quadratisch und ohne Landemöglichkeiten 80×100 km groß ist, war ein neues Feuer ausgebrochen. Der Rauch wurde mit dem Westwind auf unsere Strecke geblasen und brachte den letzten Rest Thermik zum Erliegen. Das ganze Feld lag draußen, ich konnte entspannt mit 4l Sprit heimratteln, die meisten anderen sattelten die Hänger. Sogar Katrin, musste mit ihrer JS3 auf einem Flugplatz außenlanden, weil sie so weit weg war, dass sie es trotz Jet-Antrieb nicht mehr vor Sunset nach Hause schaffte.

Das deutsche Team hatte ja alle Flugzeuge gechartert, während andere Nationen wie England, Frankreich, Italien und Tschechien ihre eigenen Flugzeuge per (z.T. verbandseigenem) Container verschifft haben. Beides hat Vor- und Nachteile. Für uns war das finanzielle Argument entscheidend, bei anderen Nationen wie z.B. Frankreich zahlt der Verband alles. So ein Container kostet eine Menge mehr, obwohl auch das Chartern natürlich Kosten verursacht. Wir hatten dadurch schon im Vorfeld nette Kontakte zu Australiern. Aber wir mussten uns mit fremder und unvollständiger Instrumentierung rumschlagen, mit Geräuschen, Schwerpunkt- und Funkproblemen. Die Steigwerte in Knoten hat man auch nicht so im Gefühl.

Die Lüftung kommt mitten aus dem I-Brett, in Australien sehr angenehm

Die anderen Nationen hatten dafür keinerlei Hänger dabei, weil in einen Container 5 Flugzeuge ohne oder 2 mit Anhänger passen (und das auch nur mit einem Spezialgestell und wenn man von einem die Achse abschraubt). An dem Außenlandetag wurden z.B. die 3 tschechischen LS8 Pilotinnen mit dem ersten Hänger abgeholt, für die anderen beiden Flugzeuge haben sie am nächsten Tag noch meinen Hänger ausgeliehen. Dieser war nach 7 Tagen in Folge als Ruhetag neutralisiert, sonst wäre maximal das halbe Starterfeld angetreten.

Es folgten noch zwei Tage, an denen wir mal gezeigt kriegten, wie gut das australische Wetter sein kann. Die Tagessieger der Standard-Klasse hatten Schnitte von über 135, wir so um 120 km/h. Die meisten Europäer fliegen einfach zu vorsichtig, wenn’s richtig knackt. Am letzten Flugtag kamen wir alle gerade so mit dem letzten Thermikhauch heim. An den letzten beiden Tagen wurde aufgebaut und gewartet und dann neutralisiert, wie man’s von hiesigen Wettbewerben kennt. Zeit für Small Talk, der in der Hitze der ersten Woche echt zu kurz kam.

Unerfreulich zum Schluss: Betrugsvorwurf gegen das australische Team. Wir waren ja den ganzen Wettbewerb über mit Trackingsystemen einer australischen Firma geflogen, die Positionsdaten wurden mit einer Viertelstunde Zeitversatz veröffentlicht. Die Pilotinnen sollten keine externe Hilfe aus diesem Tracking bekommen. Auf einmal kam am Ende der Verdacht und dann die Gewissheit, dass das australische Team das System geknackt hatte und ihnen so die Daten live zur Verfügung standen. Die Pilotinnen wurden von ihrem Team Captain in dem Glauben gelassen, dass dies legal sei. Die anderen Nationen sahen das anders. Die Jury musste sehr schnell am Abend der Siegerehrung eine Entscheidung treffen und gab allen Australierinnen 225 Strafpunkte wegen unsportlichem Verhalten. Diese Maßnahme hat die Clubklasse-Pilotin Jo Davis den Weltmeistertitel und in der Standarklasse Lisa Trotter den 3. Platz gekostet.

Es gab natürlich Diskussionen und viele unzufriedene Gesichter am Abschlussabend. Schade für die schöne WM, dass so ein unerfreulicher Abschluss den Eindruck trübt.

Das deutsche Team hat dieses Mal eine Silber- und eine Bronzemedaille erreicht.

Chrissi Grote, Vizeweltmeisterin Clubklasse, Weltmeisterin Elena Fergnani (Italien)
Katrin Senne, Bronzemedaille 18m-Klasse, Weltmeisterin Melanie Gadoulet (Frankreich)

Weil der Rücktransport der LS8 wieder von Michael übernommen wurde, konnten Ingrid und ich nach dem Wettbewerb zusammen mit Gisela Weinreich (Jury) noch eine Woche in Sydney dranhängen. Das war ein entspannter Abschluss und wir haben noch einiges gesehen.

Hafen und Opernhaus von der Harbour Bridge aus
Hafenrundfahrt mit Ingrid und Gisela
Die 3 Sisters in den Blue Mountains
Herrliche Sandstrände

Und jetzt – wieder daheim – genieße ich die kühle Luft, den Regen und ganz besonders das grüne Gras.

Zum Schluss möchte ich mich noch herzlich für die Unterstützung bedanken:

DAeC https://www.daec.de/

BWLV https://www.bwlv.de/home.html

Die BWLV-Mädels: Conny, Katrin, Steffi

VdP https://pilotinnen.de/

VdP-Mitglieder Conny, Chrissi, Ines und Sabrina

Fotos: Conny Schaich, Katrin Senne, Michael Zupanc, Serena Triebel, Christine Grote

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