Sportfliegerclub Stuttgart e.V. und zwei Stuttgarter Rössle –
Taufen im Doppelpack – 6.4.1952 und 25.08.2012

Der Sportfliegerclub Stuttgart hatte am 25.08.2012 einen besonderen Freudentag – er konnte sein 31stes Flugzeug taufen – auf den Namen Stuttgarter Rössle. Und zwar im Ehrenhof des Neuen Schlosses in Stuttgart. Genau so wie vor 60 Jahren…

Aber der Reihe nach.

Herbert Kersten wollte in unserer Fliegerwerkstatt eine Arbeit für die Jugendgruppe hinstellen. 2007 hat er ein halb restauriertes Flugzeug gefunden – und ungesehen spontan am Telefon gekauft – bei den geforderten 500€ ging das gar nicht anders.

Das Baby III wurde von Fritz Berger aus Hertingen, Kreis Lörrach / Baden von 1953-55 gebaut und auf den Namen REBLUS getauft. Die Reblus war bis 1966 zugelassen und fiel danach in einen langen Dornröschenschlaf. Erst 1994 begann der Segelflieger Club Hirzenhain mit der Restaurierung, die jedoch nicht abgeschlossen wurde. An den Flügeln war schon gearbeitet worden, aber aus dem Cockpit konnte man immer noch von innen aus den Boden sehen. Eine kleine Gruppe von Enthusiasten bildete sich im SCS – ihr Durchschnittsalter war damals 66 Jahre, ein Jugendlicher war zeitweise dabei. Aber wegen dem alten Flugzeug sind Passive wieder gekommen und neue Mitglieder eingetreten – nur aus Freude am Holzflugzeugbau. Der Sägestaub und der Flugzeugkleber Aerodux besitzen eben ein reizvolles Bouquett. Gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten bringt Freude und jeder lernt beim Bauen. Die Gruppe setzte die Restaurierung mit großen Schritten fort. Es gab auch schwierige Phasen – als entdeckt wurde, dass ein Querruder falsch gebaut war. Das Flugzeug kann eigentlich früher nicht gut geflogen sein. Das Team hat das Problem natürlich behoben. Die alte geschlossene Haube wollte keiner – wir fliegen offen.

Mit Kreativität wurden Hilfsmittel wie eine Inspektionskamera mit Monitor für Flügelnasen oder verwinkelte Ecken im Rumpf gebaut. Auch über eine Schäftmaschine verfügen wir jetzt. Das Werden des Flugzeugs wurde sehr gut fotografisch dokumentiert. Über 3 Jahren sammelten sich 2500 Arbeitsstunden an. Das Sportamt der Stadt Stuttgart hat uns einen schönen Zuschuss gewährt. Dafür ganz herzlichen Dank.

Ende Juli 2011 machte unser Bauprüfer Andreas Streble den erneuten Erstflug auf der Hahnweide und gab das Baby frei für die Flüge durch die Vereinsmitglieder. Das Flugzeug wird begeistert geflogen – los zu den verführerischen Wolken – im offenen Cockpit den Wind spüren und mit breitem Grinsen nach der Landung aussteigen – das ist Oldtimer fliegen! Man kann natürlich auch in modernen Flugzeugen grinsen – aber im Oldtimer geht das noch besser. Martin Konermann und ich wissen das schon lange, wir fliegen seit 16 Jahre offen mit der Slingsby T21B. Zur T21 sagen die Engländern „double Grunau“ – die Konstruktionen Baby und T21 sind sehr gleich. Aber das ist eine extra Geschichte.

Mit dem am Baby Gelernten arbeiten unser Oldtimerbauer mit Energie an unserem aktuellen Projekt – wir restaurieren für das fliegende Museum Hahnweide eine GÖ1 von 1940. Die Jungen im SCS sind inzwischen konstant dabei und lernen den traditionellen Flugzeugbau von Grund auf.

Jetzt machen wir einen Sprung 60 Jahre zurück.

Das erste Baby III des Vereins wurde in den Werkstätten Möhringen, Sillenbuch und Zuffenhausen gebaut. Der Verein hatte damals 5 Werkstätten in Stuttgart verteilt: Sillenbuch, Untertürkheim, Zuffenhausen, Vaihingen und Stadtmitte. Die sechste Werkstatt war die Schreinerei des Mitglieds Friedrich Ulmer. Dort stand die Helling für die Flügel – und von dort kam sehr viel Unterstützung.

Getauft wurde das Baby am 6.4.1952 – im Ehrenhof vor dem neuen Schloss. Der Name: Stuttgarter Rössle. Eine Woche später wurde es von den Fluglehrern Arthur Franke und Max Beck auf dem Hornberg eingeflogen. Unser Verein wurde am 23. August 1950 gegründet, also haben unsere alten Herren das Baby in knapp 2 Jahren gebaut – sie waren schneller als wir. Aber sie hatten sonst auch nur einen SG38. Das erklärt das Tempo.

Der Flugzeugtyp Baby war und ist sehr beliebt. 1953 wurde unser 2. Baby getauft – auf den Namen Stuttgarter Früchtle, gebaut in der Werkstatt Stadtmitte. Das Früchtle wurde hart hergenommen – nach einer geglückten Hangauflandung an der Teck rutschte es mitsamt dem Piloten rückwärts talwärts und wurde so zum schwanzlosen Flugzeug. Es wurde aber wieder in die Luft gebracht. Auch vom ersten Baby gibt’s ein deftiges Unfallfoto. Und auch das ist wieder geflogen – immer wieder mit anders angemalter Schnauze.

Die Babys hatten wie die anderen alten Flugzeuge dann schlechte Zeiten. Die neuen Flugzeuge in den 60ern waren so viel besser, dass die alten Flugzeuge ungeachtet in den Hallenecken standen oder verkauft wurden.

Zwischen den Taufen des ersten und des jetzigen Babys liegen 60 Jahre. Das neue Baby sieht äußerlich genau gleich aus wie das alte, innerlich ist es mit zwei neuartigen Geräten ausgerüstet: Funk und Flarm. Und das Instrumentenbrett hat jetzt Wurzelholzfurnier! Das Neue Schloss sieht außen und innen deutlich besser aus als vor 60 Jahren. Damals standen nur noch die Mauern.

Taufpate war vor 60 Jahren Wolf Hirth. Seine Frau Klara hat 1968 unsere Ka6E getauft und diesmal taufte Hellmut Hirth!

Fotos 1952: Thomas Rommel

Fotos 2012: Peter F. Selinger, Wolfgang Kizler und Wolfgang Kuhn

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