Martins e-Mail vom 14.08.2004
Hallo Leute,
zunächst die wichtigste Nachricht. Falls sich das Wetter an diesem Wochenende je noch berappeln sollte: alle Flugzeuge sind ab morgen (Sonntag) aus St. Crepin zurück und wieder auf der Hahnweide.
Obwohl die Brise nicht immer funktioniert hat, sind doch viele schöne Flüge gemacht worden.
Nach einer längeren Fluglagerpause hatte ich dieses Jahr die Gelegenheit, von Florian den Parcours gezeigt zu bekommen; ein ungewohntes Erlebnis für einen Slingsby-Piloten, in Ameisenkniehöhe über den Graten 80 km weit nahezu ohne Kreis zu fliegen und natürlich zurück.
Woki schreibt weiter:
Nahezu ohne Kreis? Das muß noch mal geübt werden! Heiko und Franz fliegen mit der DG. Ich übe Hangfliegen mit der ASW, weil ich für meine Verhältnisse etwas zu früh geklinkt habe.
Aber Ausdauer führt zu Höhengewinn und bald machen wir los zum Pic de Fouron und über Gaillaume zur Dormillouse. Unten erinnert mich der UL-Platz Les Crots an meine Landung vor 2 Jahren. Zum Glück hatte ich damals in Embrun nur 1600m Höhe, 300m zu wenig für den Flug nach St. Crepin. Was gibt’s Schöneres, als den Gegenanflug über Wasser zu machen?! Aber es ist noch einen halben Tag zu früh für so etwas.
Franz macht schon wieder ganz tief rum, mir ist’s ein bißchen höher lieber. Unter Hangkante ankommen und mit 170km/h weiter geradeausfliegen ist eins – mindestens solange genügend passender Wind da ist.
Am Parcours treffen wir wieder alle Frankreichurlauber, auch Klaus und Eberhard im TWIN III SL sind unterwegs. An der Montage de Coupe verlasse ich kreisend die Hangkante, um mehr Höhe für die Sprünge zu den nächsten Hügeln zu gewinnen. Der Bart ist eher schwach und ein französisch registriertes Flugzeug zeigt mir, dass der Sprung auch viel niedriger gelingt.
An der Ponte de Egin entscheidet sich immer, wo’s weiter hin geht. Franz fliegt normalerweise zum Mittelmeer, aber das traue ich mich erst nächstes Jahr. Die jungen Mädchen reißen sich immer darum, mit Franz zu fliegen – führt er sie doch weiter aus als irgend ein anderer. Nur nach dem Flug werden die Mädels dann vom Erdboden verschluckt.
Es gibt auch das Gegenteil. Einer der Schlepppiloten kriegt – so sagt Franz jedenfalls – immer die Hilfe von drei Mädels beim Flugzeug putzen.
Bei meinem Flug vor zwei Tagen bin ich von der Ponte über Riez nach St. Auban geflogen, weil ich den Lure schon vom letzten Jahr kannte. Ging auch ganz prächtig, aber am Lure war ich 50 m zu niedrig für die richtige Seite der Gräte – uuuunnd da ging’s in den Keller! Vorne am Haken der Lure wurde ich dann gerettet und ich konnte über Sisteron und La Motte zum Guillaume fliegen.
Diesmal verbrauche ich beim fotografieren am Ponte de Egin so viel Höhe, dass ich an dem nördlichen Hubbel in Höhe der Hangkante arbeiten muss, zu meiner Verwunderung ohne Aufregung. Vor ein paar Jahren hätte ich da Kurs auf Puimoisson genommen und mich auf die Landung vorbereitet. Ein C- Falke zeigt mir das beste Steigen und flott ist die Höhe für den Sprung zur Coupe erreicht.
Franz ist schon vorgeflogen und an der Coupe bin ich wieder hinter ihm. Der Parcours geht nicht mehr gut, aber Franz hält sich trotzdem an die Regel: am Parcours wird nicht gekreist. So kommen wir immer tiefer – relativ zur Hangkante und in 1800m ist die Kante ganz schön weit oben.
Wir fliegen jetzt auch andere Routen als sonst – wir umzirkeln alle die vorgelagerten niedrigen grünen Ausläufer der Trois Evecets im Westen. Allein wäre ich schon am Cheval Blanc Schleifen geflogen, aber Franz kommt immer durch und ich sitze im besseren Flugzeug. So kommen wir in komfortabler Landehöhe für Les Crots am Morgon an.
Franz probiert den südlichen Ausläufer, ich folge einem Adler und komme spielend an die Basis. Dort verweile ich ein paar Kreise um einen 6-Liter Tiefkühlbeutel seiner Bestimmung zuzuführen. Bei solchen Aktionen ist es hilfreich, wenn das Flugzeug von alleine fliegen kann. Mit Anstand komme ich zum Prachaval zurück. Er tut! Also Höhe machen und plötzlich lässt sich das Steigen nicht mehr zentrieren – ich bin in einer Welle.
An den Wolken steige ich vorbei. Da taucht rechts von mir ein Sonnenhalo auf der Wolke auf und mittendrin ist der Schatten der ASW. Nach Norden zu Barre des Ecrins ist alles schwarz, nach Westen vielschichtige Wolken, den Osten sehe ich nicht weil ich zu nahe an de Wolke bin.
In der Höhe löse ich 3. Wurzeln und Kettenrechnungen, die Florian mir aus dem DUO stellt. Da ich 3. Wurzel aus 512 hinkriege darf ich weitersteigen. Das Vario habe ich ganz leise gedreht – das Stauscheibenvario ist eh‘ besser für’s aktuelle Steigen. Möglichst nichts soll mein Naturerlebnis schmälern.
In 4600m höre ich in guten Steigen auf und fliege bei 75km/h Gegenwind in Richtung Lac de Serre Pocon.
Und da öffnet sich mir die faszinierendste Ansicht dieses Jahres: Wolken in allen Facetten – genial arrangiert. Quer von links nach rechts ziehen sich schmale Silberstreifen, davor zarte fest geformte Wölkchen – wie Eischaum auf Vanille Soße. Und dahinter klotzen die Cumulonimben mit ihrem Amboss, durch die Sonne in strahlendem Weiß leuchtend.
Zum Ausklang des Tages vor der Landung fliege ich noch mal ins Fressniertal. Früher sagten wir schönes Tal dazu. Da sagten wir auch Haushang zum Prachaval und Schildkröte zum Tete du Peyron. Jedes Jahr lernen wir Namen dazu – es gibt schrecklich viele Berge – wir müsse noch oft hierher kommen. Wobei der Pic de Bure gleich beim ersten Fluglager 1979 so geheißen hat.
Jetzt wieder Martin:
Ein weiteres Highlight war das gute Essen, das maßgeblich von den anwesenden Damen (Ingrid, Sonja, Iris) und Stefan gezaubert wurde (… kann man sich echt dran gewöhnen !!).
Wer eine Chance suchte, sich des guten Essens wieder zu entledigen, konnte mit Matthias Lichter im Kunstflugdoppelsitzer FOX mit fliegen. Spezialität: Außenloop mit -4g.
Auf dem obligatorischen deutsch-französischen Caipirinha-Abend lief Georg mit seiner Gitarre zur Höchstform auf und hat allen sehr viel Spaß bereitet.
Für mich endete der Abend leider mit einem Sturz in eine unbeleuchtete Baugrube ….. Euer Kassier ist unverletzt.
Gnadenlose Fotoüberflüge fürs Album wurden natürlich auch gemacht und zu guter letzt noch die Info aus zweiter Hand: Franz hat´s mal wieder zum Matterhorn geschafft.
Franz und das Matterhorn:
Wenn ich in meinem Flugbuch zurück blättere, so finde ich am 13. August vergangenen Jahres einen Flug, den ich mit Woki in unserem Vereins-DUO gemacht habe.
Ich erinnere mich noch gut an diesen Flug. Denn wir waren wie so oft im vergangenen Jahr am Matterhorn (zu diesem Zeitpunkt fast schon eine Selbstverständlichkeit) und anschließend noch am Montblanc. Wobei dort die Wolkenbasis über 5000m hoch war und man über dem Gipfel des Montblanc gleich eine ganze Schar von Segelflugzeugen beobachten konnte. Im thermischen Aufwind über dem Montblanc. Das hatte ich bis dahin nicht für möglich gehalten.
Nun, wie wenig selbstverständlich diese Wetterlagen des vergangenen Jahrhundertsommers sind wurde uns dieses Jahr im Fluglager mal wieder klar. Denn wie in den vergangenen Jahren bildete das Modanetal meist eine Wetter-Grenze, die ein weiteres Vorstoßen nach Norden verhinderte. So wurde mir jedenfalls berichtet. Denn ich selbst war nur die letzte Woche des Fluglagers in St. Crepin.
Wer mich kennt, weiß, dass ich spätestens seit letztem Jahr mein fliegerisches Interesse stets nach Norden und Osten richte. Und so flog ich bei meinen Flügen dieses Jahr immer erst Mal nach Norden, um einen Blick ins Modanetal werfen zu können.
Doch ein Flug Richtung Montblanc oder Matterhorn war die ganze Woche über beim besten Willen nicht möglich. Am Donnerstag verschlechterte sich das Wetter zunehmend und es zog abends eine Kaltfront über die südlichen Alpen hinweg mit kräftigen Regenschauern.
In der Vergangenheit habe ich erfahren, dass oft der Tag nach einem Frontdurchgang ein guter Tag für Flüge in den Norden ist. Und so sollte der Freitag, der 13.August (trotz des Datums!) zu meinem Glückstag werden.
Aber davon ahnte ich an jenem Morgen noch nichts. Woki lag mit Fieber im Wohnwagen. Florian wollte noch mal seine LS7 bewegen und so hatte ich das Glück unsere ASW28 noch ein letztes Mal im Fluglager zu fliegen, denn am Samstag war bereits unsere Heimreise geplant.
Ich entschied mich für die 18-Meter-Version, weil ich mich an die etwas weniger wendige Handhabung in den Bergen gewöhnen wollte. Die Sauerstoffanlage war noch eingebaut, die Flasche noch ¼-voll. Zum Glück, wie sich später noch rausstellen sollte.
Beim Briefing gab es einen komischen Wetterbericht. Es wurde keine Thermik vorhergesagt. Dafür aber in der Höhe ein kräftiger Nordwestwind.
Als ich in den stahlblauen Himmel mit vereinzelten tieferen Restwolken der vergangenen Nacht schaute, wollte ich so gar nicht glauben, dass es keine Thermik gäbe. Als sich dann auch noch wie gewohnt gegen Mittag die Brise entwickelte, hatte ich keine Bedenken und startete als zweiter hinter Jean-Michelle. Der Aufstieg erfolgte in der sogenannten „confliance“ vor dem Haushang. Dabei trifft der noch von der Nacht abfließende Bergwind mit der gerade einsetzenden Brise zusammen und es entsteht ein laminarer Aufwind in dem man ganz entspannt vor dem Hang in 1- 2 m/s Steigen bis etwa Hanghöhe Haushang, also etwa 2700m, manchmal auch darüber steigen kann.
Jean-Michelle kam etwas schneller hoch als ich und flog gleich Richtung Westen ab. Mich zog es natürlich gleich nach Norden, also Standard Route „Schildkröte“, Pyramidenberg, östlich an Briancon vorbei, Col de Montgenevre.
Und es gab Thermik. In der glasklaren kalten Rückseitenwetter-Luft war die Thermik zwar zerrissen aber durchaus mit 2-3m/s kurbelbar. Und das wollte ich ja auch üben mit unserem 18-Meter-Flagschiff.
Ich brauchte tatsächlich etwas Eingewöhnungszeit um mich an das etwas trägere Flugverhalten zu gewöhnen. So war ich froh als ich über den Gräten flog. Als ich mich Bardonecchia näherte, sah ich bereits, dass der Norden nicht so entwickelt war, wie ich vermutete. Aber zumindest waren die Gräten östlich des Mont Thabor, die die Grenze zum Modanetal bilden frei von Wolken. Ich schätzte die Basis auf etwa 3300 Meter.
An den Skihängen östlich von Bardonecchia konnte ich zunächst keine Thermik finden. Erst nach einigen Suchschleifen gelang es mir Steigen zu finden, mäßig und zerrissen. Dabei fiel mir aber auf, dass einige Hänge wunderbar im Nordwestwind trugen.
Der Windmesser zeigte 300 Grad mit 25km/h an. Eigentlich ein guter Wert für ein weiteres Vorstoßen nach Nordosten. Schließlich war ich über dem Grat hinter dem Stausee Rochemolles, einem beliebten Wendepunkt der Franzosen, an der Basis in knapp 3400 Meter.
Und genau hier hat sich für mich entschieden, dass es ein phantastischer Flug werden sollte. Denn bis jetzt war ja alles Standard. Doch zunächst zögerte ich noch. Flog ein kleines Stück ins Modanetal drehte aber sofort wieder um an den Grat. Von hier aus konnte ich problemlos nach St.Crepin zurückfliegen. Ein Mal zu Tief im Modanetal, so dachte ich, und ich komm nicht mehr zurück.
Gut, man kann dort problemlos in Sollieres landen, aber wollte ich so früh meinen Flug beenden mit teurem Rückschlepp? Michelle sagte mir heute Morgen noch nach dem Briefing, ich solle ja nicht nach Norden fliegen. Das letzte Mal , als sie das zu mir sagte, ignorierte ich das auch und der Flug endete damals mit Markus im DUO in Albertville.
Normalerweise trifft man an dieser Stelle zu dieser Tageszeit immer gleichgesinnte Segelflieger. Das macht einem Mut. Nicht so an jenem Tag. Ich war alleine. Florian, der nach mir gestartet war, war auf dem Weg zum Gletscher und ich war mir nicht sicher, ob es ihm gefallen würde.
Die Basis war schon verflixt tief. Nach Norden sah es schlecht aus. Der Grat nördlich des Modanetals war in Wolken verhüllt. Aber der Grat, der südlich des Tals nach Osten Richtung Grand Paradiso lief, schien mir einigermaßen frei zu sein. Außerdem war er meines Erachtens perfekt zum Nordwestwind ausgerichtet.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und flog los. Unter mir zog der Flugplatz von Sollieres vorbei, wie immer gab es dort keinen Flugbetrieb. Rechts unter mir schimmerte in der klaren Luft in hellem türkisblau der 2100 Meter hoch gelegene Lac du Mt Cenis, dessen Wasser sich im Wind kräuselte. Von hier aus konnte ich bis weit in die Poebene reinschauen und ich hatte den Eindruck , dass die Wolkenbasis nach Osten tatsächlich anstieg.
Den Grand Paradiso konnte ich bereits erkennen. Doch zunächst brauchte ich wieder dringend einen Aufwind, denn ich war mittlerweile unter 3000m hoch.
Ich steuerte den Nordwesthang hinter dem See an, über dem eine wunderschöne Wolke stand. Nach Südosten jedoch war der Grat in Wolken. Wie leicht hatten wir es da doch letztes Jahr, wo wir an dieser Stelle meistens 1000 Meter höher flogen, dachte ich.
Nach einigen Achten in mäßigem aber ruhigen Steigen drückte es mich fest in den Sitz und ich konnte einen satten 4,5-Meter-Bart integrieren. Ich jubelte als ich in immerhin 3600m – der Hang fiel nur so unter mir weg – die Basis erreichte.
Meine vorherige Vermutung bestätigte sich also. Es gab gute Hangthermik im Nordwestwind, der hier oben schon über 40 km/h stark war.
Nun versuchte ich Florian im Funk zu erreichen, denn ich war mir nun ziemlich sicher, dass es eine Chance gab weiter Richtung Matterhorn zu fliegen. Doch ich erreichte ihn nicht mehr. Später stellte sich heraus, dass er schon früh wieder gelandet war, um sein Flugzeug für den Transport vorzubereiten.
Nunmehr frohen Mutes flog ich also weiter das Arctal entlang Richtung Bonnval. Ich konnte sogar einige Abkürzungen fliegen und erreichte schnell die Stelle, an der es galt den höchsten Paß querab des Val d`Iseres mit immerhin 3300 Metern zu überqueren.
Wieder wurde ich in einem satten Aufwind mit über 3m/s diesmal mehr über dem Tal an die Basis emporgehoben.
Und hier spürte ich intuitiv – die erfahrenen Wellenflieger unter Euch kennen das Gefühl – daß ich ein kleines Stück gegen den Wind vorfliegen sollte. Und richtig, es gab Welle, erst wurde es ruhig, das Fallen wurde zu Null, dann kletterte die Vario-Nadel auf 1, dann 2 und blieb schließlich fest bei 2,5 m/s stehen. So stieg ich vorbei an den Wolken.
In 4000 Meter Höhe war klar – es geht weiter und so legte ich mir die Nasenkanüle des Sauerstoffgerätes um den Hals. Jedes Mal beim Einatmen spürte ich unter einem leisen Zischgeräusch den Sauerstoffimpuls in der Nase. Toll, wie die Technik doch funktioniert und einem verhilft in diese lebensfeindlichen Regionen vorzustoßen.
Der Wind nahm weiter zu bis auf über 70km/h in 5000 Metern Höhe. Die Temperatur war nun deutlich unter Null, aber ich spürte die Kälte in meinem T-Shirt unter der Plexiglashaube nicht.
Alles ruhig. Die ASW ließ sich mit 2 Fingern mit 70 km/h leicht im Wind halten. Nun war ich komplett über den Wolken und hatte eine phantastische Fernsicht. Die Landschaft unter einem rückt zusammen. Alles scheint plötzlich leicht erreichbar. Ich schaute auf das Skigebiet von Lac de Tigne, und musste an Günter denken, der dort schon öfters war.
Nun war klar ich muß weiter. Immer noch kein Flieger außer mir hier. Über den Wolken flog ich parallel zum Wind und Hang im Tal vor dem Grand-Paradiso, dessen frischbeschneiten Schneehänge mich anstrahlten und seinem Namen alle Ehre machten.
Ich verlor kaum Höhe und gelangte vor Aosta in die nächste Welle, die ich mit meinem Vater letztes Jahr hier schon ein Mal gefunden hatte. Die Flanken östlich des Montblanc waren in Wolken verhüllt. Michelle hatte also recht. Der Norden war tatsächlich nicht machbar. Aber ich war ja auch mehr im Osten als Norden dachte ich schmunzelnd.
Tief unter mir lag nun Aosta mit Flugplatz und vom Matterhorn war weit und breit nichts zu sehen, zu viele Wolken. Und so beschloss ich weiter Richtung Matterhorn fliegend mich langsam wieder unter die Wolken fallen zu lassen. Denn ich wollte das Matterhorn lieber von der Seite als halb von den Wolken verdeckt von oben genießen.
Und so flog ich an dem Hang nördlich von Aosta vorbei, wo Woki und ich letztes Jahr 8,9m/s gezogen hatten ins Valpeline-Tal dessen östliche Bergflanke zum Matterhorn hinauf führt. Nun sah ich doch ein paar andere Segelflugzeuge allerdings mindestens 2000 Meter unter mir, offensichtlich gerade in Aosta gestartet, an den Hängen entlangfliegend.
Am Ende des Tals erkannte ich den von meinen vergangenen Flügen bekannten langen schmalen türkisfarbenen Stausee. Ich wusste somit, ich habe das richtige Tal erwischt. Doch noch immer sah ich das Matterhorn nicht. Einerseits war ich gerade erst wieder so tief wie die Basis, hier immerhin 3600 Meter und zu viele Wolken vor dem Matterhorn versperrten immer noch die Sicht. Ich erkannte aber, dass ein Grad weiter östlich die Basis um einiges höher zu sein schien. Und ich sah das große Gletscherschneefeld vor der Bergstation des kleinen Matterhorns.
Darüber war eine mächtige Wolke. Letztes Jahr an einem Blauthermiktag hatte ich genau dort einen guten Aufwind bekommen. Allerdings machte mir dieses Mal der Wind erhebliche Sorgen und ein mögliches starkes Lee östlich des Grates über dem ich mich gerade befand.
Zwar war der Wind hier wieder erheblich schwächer, nur noch etwa knapp 30km/h. Aber auch letztes Jahr habe ich schon mal an der gleichen Stelle viel Höhe im Lee verloren, die ich auf der Luvseite mühsam wieder zurückgewinnen musste.
Ich versuchte also noch mal am Hang maximal Höhe zu machen aber mehr als 3500 Meter wollten es einfach nicht werden. Und so flog ich ein kleines Stück zurück zu einer Wolke Richtung Westen über dem schmalen Stausee. Dort kam ich dann auf knapp 3800 Meter hoch, flog zurück und schließlich mit viel Fahrt über den Grat ins vermeintliche Lee zum Schneefeld vor dem kleinen Matterhorn.
Doch zu meiner Verwunderung bekam ich überhaupt kein Fallen, im Gegenteil an einzelnen Wolkenfetzen konnte ich sogar die Höhe halten und erreichte das Schneefeld und die darüber liegende Wolke problemlos. Dort wurde ich sofort mit kräftigen 3m/s empfangen.
Und gleich beim Eindrehen zum ersten Kreis erblickte ich nun endlich das Matterhorn. Herrlich, es war komplett frei. Nur nach Südosten zog sich eine Wolkenfahne vom Gipfel. Die Luft war so glasklar. Der Schnee in den Flanken der Felsen war so reinweiß, wie ich es letztes Jahr nicht ein Mal gesehen habe.
Es war einfach nur himmlisch schön, eine märchenhafte Idylle. Kaum in Worte zu fassen, was einem bei solch einem Anblick in 3900 Meter Höhe durch den Kopf geht. Alles andere wird so unwichtig, man genießt einfach nur noch den Augenblick und fühlt sich so sehr verbunden mit der Natur, man ist eins mit den Elementen.
So flog ich vorbei an der Bergstation des kleinen Matterhorns, wo ich ein paar Leuten, die auf der Aussichtsplattform standen zuwinkte. Der Grat am Breithorn zum Monte Rosa trug ganz leicht im Hangwind und so konnte ich bis querab des Gletschers über dem Gornergrat fliegen, schön langsam mit 100 km/h.
Gewaltige Eismassen und Schneewächten zogen an mir vorbei. Nachdem ich über dem riesigen Gletscher des Monte Rosa drehte, konnte ich noch einmal aus der wirklich schönsten Postkarten-Perspektive das Matterhorn bestaunen. Rechts unter mir lag Zermatt. Lang ist es her, dass ich von dort aus Ski gefahren bin. Nie hätte ich mir damals nur annähernd vorstellen können, hier mal mit einem Segelflugzeug entlang fliegen zu dürfen.
Erneut flog ich knapp über die Aussichtsplattform. Es war mittlerweile kurz nach vier und ich ermahnte mich, den Rückflug zu beginnen. Wer weiß, dachte ich, ob mir der Rückflug wieder so problemlos gelingt, wie der Hinflug. So nahm ich Abschied vom Matterhorn und flog wieder zum Grat südwestlich des Matterhorns zu.
Wieder gab es kein Lee, welch Glück und so gelang ich schnell dieses Mal unter der Basis nach Aosta. Wieder sah ich tief unter mir die Kollegen aus Aosta. Offensichtlich bekamen sie von da unten keinen Anschluß. Ich musste also oben bleiben.
Nun stand die Talüberquerung Richtung Grand Paradiso an. Ich musste mich gegen den Wind vorarbeiten. Glücklicherweise war er hier unten aber nicht mehr so stark und ich kam mit über 100km/h über Grund vorwärts.
Als ich die ersten Felsgräten des Val Savaranchos zum Grand Paradiso erreichte, war ich nur noch 2600m hoch. Doch sofort empfing mich ein prall in der Sonne rostrot leuchtender Geröllhang mit über 4m/s und riß mich bis auf sagenhafte 3900 Meter hoch.
Na dann wird der Rest wohl ein Spaziergang, dachte ich und flog nun ziemlich forsch unter den Wolken weit vor dem Hang zu dem 3300 Meter hohen Pass östlich des Val d´Iseres.
Hier fällt immer die Entscheidung. Kommt man rüber, kommt man problemlos nach Sollieres, wenn nicht, liegt einem immer noch Aosta zu Füßen. Doch als ich mich dem Pass näherte, geriet ich in starkes Fallen. Offensichtlich war der Wind hier wieder düsenartig verstärkt und erzeugte ein kräftiges Lee.
Keine Chance, ich kam nicht über den Pass. Der war plötzlich hoch über mir und ich flog schnell Richtung Aosta und es dauerte scheinbar endlos lange, bis endlich in 2600 Meter das Fallen und auch der Wind nachließ.
Ich fluchte im Cockpit. Eben noch war ich in majestätischer Höhe vor den Schneeflächen des Grand Paradiso dahingeglitten, nun befand ich mich mental schon beinahe am Boden in Aosta. Doch mitten im Tal bekam ich wieder Steigen, wurde kaum versetzt, es gab also keinen Wind. So gelang ich langsam aber stetig wieder auf über 3000 Meter Höhe.
Nun musste ich mir also eine andere Taktik überlegen. Zunächst flog ich einen Grat weiter nördlich des Grand Paradiso an. Dort trug der Hang wieder im Luv und es gab auch Thermik. Doch die Basis war hier kaum höher als 3400- 3500 Meter. Und Richtung Pass sank die Basis auch wieder ab. Und so versuchte ich im Lee der Wolken kleine Wellen ausnutzend und oben zu bleibend mich wieder dem Pass zu nähern, dieses Mal jedoch weiter nördlich und in einem günstigeren diagonalen Winkel.
Jederzeit war ich gefasst wieder in das Lee zu geraten. Und ich bekam es auch wieder zu spüren, doch dieses Mal gelang es mir, den Pass in 3400 Meter zu überqueren. Kaum über dem Pass wurde ich wieder stark in den Sitz gedrückt und war Sekunden später 150 Meter höher. Hier war der Wind durch die Talenge wieder erheblich stärker. Diese Mal suchte ich erst gar nicht nach der Welle und gelang problemlos an den Nordwesthängen wieder am Lac du Mont Cenis vorbeifliegend Richtung Bardonechia.
Ein paar Mal habe ich noch gekreist, wollte jetzt unbedingt oben bleiben und kein Außenlanderisiko nach Sollieres mehr eingehen. Was für ein erhebendes Gefühl wieder im Gleitwinkelbereich von St.Crepin zu sein. Und es war erst 6 Uhr.
Hinter dem Col de Mont Genevre bekam ich dann den Bart des Tages. 6m/s katapultierten mich erneut an die Basis von nunmehr 3600 Meter. Von wegen, es gibt keine Thermik heute! Und bei uns im Tal läuft es halt immer noch am Besten.
Ein Blick zurück ins Modanetal zeigte mir, die Situation hatte sich kaum verändert. Von hier aus hält man einen Flug ans Matterhorn nicht für möglich, zu viel tiefe Wolken versperren einem die Sicht und den Glauben an das Mögliche.
Eine ASK13 aus St. Crepin genoss mit mir noch das starke Steigen als ich kurz darauf Richtung Südwesten nach St. Crepin weiterflog. Ich verabschiedete mich aus der Ferne vom Glacier Blanc und flog noch ein letztes Mal für dieses Jahr über den Lac de Serre Poncon zum Parcour, dem ich bis zum Cheval Blanc folgte, bevor ich mich entgültig für den Rückflug und zur Landung entschloß.
Der Parcour war für mich nach diesen Eindrücken noch mal pure Entspannung. Im stetigen Hangwind nur geradeaus fliegen zu können, das wird mir wohl nie langweilig werden.
Kurz nach 7 Uhr landete ich nach etwas mehr als 6 Stunden Flug wieder wohlbehalten in St.Crepin. Ich konnte es kaum fassen. Ich war wieder am Matterhorn! Und es war mindestens so aufregend und schön wie beim ersten Mal.
Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben mir freilich geholfen. Erfolgreich in den Alpen fliegen beruht eben auch viel auf Erfahrung. Und die muß man sich erfliegen, Stück für Stück. Leider hatte ich meinen Photoapparat nicht dabei, aber vielleicht könnt Ihr Euch an Hand meines Berichtes die Bilder, die ich gesehen habe und die Gedanken, die ich empfunden habe etwas vorstellen.
St. Crepin, wir kommen wieder!
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