Ursprünglich hatte ich vorgehabt dieses Jahr mit einem Vereinseinsitzer nach Sondrio zu fahren. Das ganze Drumherum mit Hänger ziehen usw. schreckte mich jedoch etwas ab, vor allem weil ich zu dieser Zeit eigentlich schon wieder studieren müsste, sich der Aufwand unter 7 Tagen aber kaum lohnt. Also hatte ich es eigentlich schon gecancelt, als mich spontan Franz anrief und fragte, ob ich nicht Lust hätte bei ihm im neuen Arcus M mitzufliegen. Da konnte ich einfach nicht widerstehen. Kurz überlegt, zugesagt und letzten Dienstag dann morgens in Berlin losgetramp. Von meinen Semesterferien war ich, was Trampen angeht, noch sehr gut in Übung, so dass ich auch wirklich Abends nach 1000Km und vielen netten Autofahrern in Berbenno vor der Haustür abgesetzt wurde. Eigentlich war ich noch einen Tag zu früh dran, aber da Christian am nächsten Tag schon abfahren wollte und mir so den hinteren Platz im Arcus nicht streitig machte, stand dem Start am nächste Morgen nichts mehr im Wege.

Die Vorhersagen waren top und Franz war nicht mehr zu bremsen – ab Richtung St. Crepin. Die Thermik hämmerte und eine halbe Stunde später waren wir auf 4000m, was bei einer Flugplatzhöhe von gerade einmal 275m wirklich atemberaubend schnell ist. So ging es erstmal weiter, wenn auch nicht jede prognostizierte Welle die erwünschten Steigwerte lieferte – nur die beim Monte Rosa erwies sich mit 6m als zuverlässig und so gings auf 6000m. Beim Gran Paradiso fielen wir dann aber leider aufgrund fehlender Welle wieder aus dem angenehmen laminaren System. Nach einigem Gebastel und einer beinahe-Kollision mit einem unachtsamen oder kampflustigen Adler fanden wir dann mit etwas Verspätung wieder Anschluss im Lee vom Gran Paradiso. Bis Briancon waren die 5000m aber schnell auf wenig über 2000m hingeschmolzen, damit St. Crepin in Weite Ferne gerückt und der Rückweg unausweichlich.

Mittlerweile war es auch schon Nachmittag und ich döste ab und zu ein bisschen, weil ich nach dem langen Flug doch ziemlich fertig war und Franz Methode, den immer schwächer werdenden Aufwinden noch den letzten halben Meter abzugewinnen, nicht gerade zu meinem Wohlbefinden beitrug. Irgendwann fand ich mich auf knappen 4000m wieder und das erste Mal in meinem Fliegerleben ging es mir richtig schlecht. Ich bat innerlich alle Menschen, denen es bei mir schlecht geworden war, um Verzeihung – wusste gar nicht wie besch… sich das anfühlt und versuchte mit Sauerstoff zu retten was noch zu retten war. Leider erfolglos, so dass ich den Rest des Fluges (200Km) im Wachkoma verbrachte. Ab und zu hörte ich Franz fluchen, wenn mal wieder einer der wenigen Aufwinde versagte. Er hatte auch allen Grund dazu, die Außenlandung im Susatal kam doch immerhin in den Bereich des Möglichen. Aber es war mir nicht gegönnt so schnell festen Boden unter die Füße zu bekommen, der Wind war uns gnädig und drehte langsam auf West, so dass uns einige Hänge und eine „Mikrowelle“ über die schwierigsten Stellen hinwegretteten und endlich auf dem LX wieder ein Plus vor der Endhöhe stand. Apropos Füße, die blieben dank Franzens innovativen Schuhüberziehern selbst bei Außenthemperaturen von bis zu -20C° angenehm warm – ganz ohne die Batterien zu belasten. Nach über acht Stunden Flugzeit und 600Km erreichten wir glücklich wieder unseren Flugplatz.

Mir kamen aber erst nach Osvaldos genialem Abendessen alle Lebensgeister wieder.

An dieser Stelle muss ich auf jeden Fall die tolle Unterkunft erwähnen. Wir wohnen in einer Wohnung in einem kleinen italienischen Häuschen im romantischen Berbenno di Valtellina. Wie schon gesagt bei Osvaldo und seiner schönen Frau Tizziana. Man ist schon fast Teil der Familie, es herrscht jedenfalls ein umwerfend herzlicher Umgang. Morgens gibt es leckeres Frühstück, aber das Abendessen toppt alles. Meine Erwartungen wurden jedenfalls weit übertroffen. Nach der obligatorischen Gemüsesuppe, gibt es einen Pastateller, danach oft irgendwelche Leckereien vom Grill oder kalte Spezialitäten, dazu Salat oder Gemüse. Käse schließt den Magen, aber Eis und Kuchen von Tizziana geht dann natürlcih immer noch. Nach einiger Zeit geselligem Beisammensein, überkam mich dann aber doch starke Müdigkeit, und nach einer warmen Dusche war der Tag dann wunderbar abgeschlossen.

Ich schlief natürlich wie ein Stein und selbst die Vögel und Glocken am nächsten Morgen konnten mich nicht aus meinen Träumen holen. Aber die Sonne rief und mit einem leckeren Kakao ließ sich dann ganz gut in einen neuen Flugtag starten. Über die nächsten zwei Tage möchte ich gar nicht allzuviel schreiben, das würde langsam den Rahmen sprengen. Jedenfalls war der Donnerstag etwas erholsamer mit anfangs Modellfliegen und anschließendem Flug nach Domodossola und Bormio. Der Freitag allerdings war trotz schlecht angekündigktem Wetter und starker Bewölkung so gut, dass es für einen Flug nach Lienz mit insgesamt 700Km, ausreichende senkrechte Luftbewegung gab. Erwähnenswert sind auf dieser Route auf jeden Fall die Dolomiten, die sich, obwohl an diesem Tag verhüllt, mit ihren schroffen, zackigen Spitzen sehr beeindruckend von der Umgebung abheben. Ich hatte mich mittlerweile auch wieder ans Fliegen gewöhnt, so dass ich die Flüge voll und ganz genießen konnte. Trotzdem sind sieben Stunden im Flieger schon ziehmlich anstrengend.

Der letzte Tag (Samstag) sah ersteinmal richtig unschön aus. Mit immer stärker werdenden Altocoumulus schien es wenig Hoffnung auf einen Blick außerhalb des Tales zu geben. Trotzdem starteten wir, wenn auch verspätet, Richtung Dolomiten. Die Thermik war aber nicht sehr berauschend und mir kam die spontane Idee doch einen kleinen Ausflug Richtung Innsbruck zu machen. Hier gibt es in einem kleinen Tal ein Dorf, wo ich schon es öfteren Familienurlaub gemacht hatte und es hat einfach einen Reiz, die Berge, die man sonst mühselig hochgeklettert ist mal ganz entspannt aus dem Flieger zu betrachten. Richtung Norden wurde die Thermik und die Sicht immer besser. Und langsam machte sich Begeisterung im Cockpit breit. Was für ein Flug!! Die Ötztaler Alpen waren atemberaubend schön, mit noch dick verschneiten Gipfeln und einigen Gletschern, die man leider weiter im Süden schon immer seltener sieht. Nach und nach kamen wir immer höher, so dass wir den Ortler aus Norden kommend auf Gipfelkreuzhöhe umfliegen konnten. Weit unten im Tal sahen wir jetzt die Inversion, die wir durch unsere große Runde „ausgetrickst“ hatten.
So war es uns möglich noch in 4000m nördlich am Berninamassiv in großem Bogen unsere Höhe abzugleiten, bis wir über dem Comer See dann entgültig in die neblige Inversionsgrenze eintauchten. Das war der schönste Abschlussflug, den ich mir vorstellen kann, und sowieso waren diese vier Tage vollgepackt mit unvergesslichen Flugerlebnissen und Flügen wie aus dem Segelflugbilderbuch.

Danke Franz!!

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