Jürgen und ich hatten den Motorsegler schon eine Woche vor dem 23. April (einem Freitag) reserviert und hofften sehr, dass Petrus uns wohl gesonnen sein würde, um das Wochenende fliegerisch genießen zu können. Die in Offenbach fernmündlich eingeholte Langfristwettervorhersage klang vielversprechend: Ein sich über England ausbildendes kräftiges Hoch würde bei Abtrocknung die kühle, arktisch angehauchte Luft über Deutschland mit starker, kalter Strömung nach Süden transportieren. Die dann im Verlauf der Woche über flugwetter.de eingeholten Informationen verfeinerten diese Aussage, und es wurde klar, dass wir für unser Vorhaben ein fantastisches Wetterfenster – vielleicht sogar bis hin zum 26. April – zur Verfügung haben würden.

Als Zielflugplatz suchten wir Nordholz-Spieka aus, ein Katzensprung weg von Jürgens Haus in Dorum und ebenso nah zu Cuxhaven gelegen. Ein Freund würde uns seinen Zweitwagen zur Verfügung stellen, damit wir mobil unterwegs sein konnten – welch ein Geschenk.
Während ich nach alter Väter Sitte und mit Wokis Tabellenwerk den Flug vorbereitete, besorgte sich Jürgen zusätzlich noch das von Thomas bereits viel genutzte und gelobte Softwarepaket Skydemon. Thomas gab uns am Abend vor dem Flug freundlicherweise noch einen Crashkurs in die Bedienung und gute Tipps.

Mit geringstmöglichem Gepäck und – wegen des vorherrschenden Gegenwindes – gut vollgetankt ging es am Freitagmittag los. Kontrollpunkte waren Unterschüpf, Fulda-Jossa, Fritzlar, Porta Westfalica (Oerlinghausen) und Oldenburg-Hatten. Das Kennenlernen bzw. Wiedererkennen von Deutschland aus der Luft der Länge nach von Süd nach Nord bei besten Sichtbedingungen war einfach ein Erlebnis. Da fiel dann das parallele Navigieren mit dem eingebauten Peschges und dem Skydemon und zusätzlich dem VOR nicht schwer. Dennoch sahen wir beide, dass man zum Kennenlernen und Ausnützen dieses zusätzlichen wirklich umfangreichen und hilfreichen Tools von Thomas noch mehr Übung benötigt. Für meine händische Vorbereitung hatte ich einen Gegenwind von 20 km/h angenommen und damit eine Gesamtflugzeit von 4 Stunden und 1 Minute errechnet. Tatsächlich brauchten wir exakt 4 Stunden. Landung also mit stolzgeschwellter Brust.

Was haben wir auf diesem Hinflug erlebt? Für mich war es – außer der Freude am Fliegen und der Landschaft – insbesondere der neu empfundene Spaß beim Fliegen mit dem Finger auf der Landkarte und beim Funken mit den diversen Langen-Controllern. Das ist sehr hilfreich. Meine Tangierung des Kontrollraumes D von Bremen wurde aufmerksam und allerdings auch nicht allzu freundlich mit der Bemerkung versehen, ich solle doch nach links rausfliegen. Den darin steckenden Tadel haben wir nur zu gerne akzeptiert.

Über meinen zeitweiligen Arbeitsort Bremerhaven und Jürgens Heimatort Dorum hinweg ging es an der Weser entlang nach Nordholz mit Meldung am Pflichtmeldepunkt Sierra.

Das Anflugverfahren unseres Landeortes ist generell mit erstem Kontakt bei Nordholz Turm geregelt. Erst bei der Landung wird auf die Spieka-Frequenz gerastet. Es war aber bereits kurz nach 14.00 Uhr UTC, da war das Militär wohl schon im Wochenende, und wir nahmen dann den direkten Spieka-Kontakt auf.

Da das Abstellen von unserem Mose im Spiekaer Hangar nicht möglich war, kam das mitgenommene Ankerzeug wieder zu Ehren. Hierzu gibt es kleine Videosequenz mit Jürgen, dem Verzurr-Meister.

Jürgen kann es ohne den Hebel

Samstag besuchten wir den Hafen mit dem berühmten Steubenhöft.

Am Sonntag war Zeit für den geplanten Rundflug um und über Cuxhaven.

Die Thermik war berauschend, so dass immerhin noch eine gute Viertelstunde lang auch Aufwindfreuden mit abgestelltem Motor mitgenommen werden konnten.

Da es eiskalt war, musste aber nachher dem Motor gut zugeredet werden, bis er wieder warm genug für die Landung war.

Für die Übernachtungen stand Jürgens Haus in Dorum zur Verfügung. Dort lässt es sich hervorragend leben und schlafen.

Früh am nächsten Morgen ging es neben der wiederum händischen Flugvorbereitung, die wieder bestes Wetter erwarten ließ, vor allem um die Frage, ob die vorhergesagten Minusgrade in geplanten 4000 ft Flughöhe nicht einen Wärmeschutz für den Motor empfehlenswert machen würden. Jürgen fing schon an, ein Ersatz-Alublech vorzubereiten. Auf das weise fernmündliche Abraten von Woki hin jedoch verzichteten wir auf diese Maßnahme.

Der Heimflug war wieder ein Sichtfluggenuss, und das bei bestem Überlandflugwetter. Da wir ziemlich weit unter der Basis flogen, bekamen wir die Thermik deutlich zu spüren, was den Motorflieger vielleicht zum Einhalten einer exakt vorgegebenen Höhe ständig zu Energie-vernichtenden Korrekturen veranlasst hätte. So aber gereichte dies dem Segelflieger in uns zur Freude.

Vielleicht konnten wir durch „dynamischen“ Segelflug und trotz leichtem Gegenwind etwas Sprit sparen und erreichten nach dreieinhalb Stunden Flug den Heimatflugplatz mit immer noch 30 ltr. im Tank.

Jürgen und ich durften ein wunderbares Flugwochenende erleben. Rechnet man die gesamte Flugvorbereitung mit ein, brauchten wir wahrscheinlich genauso viel Zeit, wie eine Auto- oder Bahnreise nach Norddeutschland gedauert hätte. Aber wo wären Spaß und Freude geblieben? Und der Nicht-Routinier in uns hat eine Herausforderung gemeistert, und das kann man vielleicht als ein zusätzliches Bonbon im Fliegerstammbuch vermerken.

Im Nachhinein, beim Reflektieren über all das schöne Erlebte, möchten wir nicht vergessen, dass wir dies als Hobbyflieger, die wir sind, nur im Rahmen eines Vereins machen können. Wir dürfen einen Motorsegler genießen, der durch die Arbeit eines Teams von fachlich versierten Freunden tadellos in Schuss gehalten wird. Und wir können uns auf einen Motor verlassen, der wie ein Uhrwerk läuft.

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